Feine Hilfen, Heft 10, April 2015: Schwung ist Liebe

Feine Hilfen April 2015: Schwung ist Liebe

Schwung ist Liebe

Ulrike Bergmann protokolliert ein Gespräch zwischen Laura Nettelbeck und Wolfgang Marlie.

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FEINE HILFEN: „Kraftvolle Bewegung“ oder auch „Elan“: Wer in Lexika nach dem Wort Schwung sucht, findet diese beiden Definitionen. Und wer mit den Pferdetrainern Wolfgang Marlie (75) und Laura Nettelbeck (28) über Schwung diskutiert, der merkt, dass es auch beim Reiten mindestens zwei Erklärungen für die vierte Stufe der Skala der Ausbildung gibt. Er sagt, Schwung sei Liebe, und sie verweist auf das, was die Hinterhand tun muss, um Schwung zu entfalten. Der eine redet also über Gefühle, die andere über Biomechanik. Und natürlich haben sie beide recht. Ulrike Bergmann hat ihr Gespräch protokolliert.

„Shaolin“ steht im Longierzirkel und döst. Vorher war er von einem Bein auf das andere getreten, hatte mal nach Leckerlis und mal nach Streicheleinheiten gefragt. Als es beides nicht gibt, geht der Württemberger Wallach in den Pausenmodus. Dabei verstricken sich die beiden Pferdeprofis neben ihm gerade in eine heiße Dis­kussion über die Frage: „Was ist Schwung?“

Wolfgang Marlie: Laut Lehrbuch ist Schwung die vierte Stufe der Skala der Ausbildung. Für mich ist es eher die fünfte, weil ich vor die erste Stufe das Vorwärts setze. Damit meine ich, dass das Pferd gelernt hat, die Hilfen zu verstehen und sich dadurch leicht zum Vorwärts anregen lässt. Vorwärts, Takt, Losgelassenheit, Anleh­nung, Schwung ...

Laura Nettelbeck: Für jede dieser Stufen muss das Pferd im Vor­wärts sein ...

Marlie: Genau, aber ich meine das vor allem mental. Es muss die gedankliche Freiheit, die Freiheit im Kopf haben, vorwärtsgehen zu wollen. Vorwärts im Geradeaus, im Rückwärts und im Seitwärts. Das Gegenstück dazu ist ein Pferd, bei dem entweder die Bremse oder das Gaspedal klemmt.

Nettelbeck: Klemmen und Schwung – das passt nicht zusammen. Schwung ist auf allen Ebenen ein positiver Zustand: Man geht schwungvoll durchs Leben oder durch eine Tür, man holt Schwung, um etwas zu schaffen oder um das Bein über den Pferderücken zu schwingen. Du sagst ja immer, dass du mit einem Pferd tanzen möchtest. Und tanzen geht nicht ohne Takt, ohne Lust auf die Bewe­gung, man könnte auch sagen Losgelassenheit. Und wenn man Paar­tanz macht, dann geht es auch nicht ohne Anlehnung. Übertragen auf das Tanzen wäre die Anlehnung des Pferdes an die Reiterhand die vertrauensvolle Zustimmung dazu, sich führen zu lassen. So wie ein Herr die Dame über das Parkett führt. Und wenn er das dann schwungvoll macht, sind wir bei der vierten Stufe der Ausbildungs­skala. Oder bei der fünften, wenn man dein Vorwärts dazunimmt.

Er wendet sich dem dösenden Pferd zu und regt es mit einem Schnalzer und einer Handbewegung dazu an, sich erst im Schritt und dann im Trab auf dem Zirkel um ihn herumzubewegen.

Marlie: Hat er jetzt eine Anlehnung an mich? Oder eher an die Bande?

Nettelbeck: Oder beides?

Marlie: Ich denke, es muss eine mentale Verbindung über die Sinnes­wahrnehmung des Pferdes geben. Visuell, akustisch oder haptisch, also durch Berührung. Das Pferd braucht jemanden, der es anregt und an dem es sich orientieren kann. So kannst du das frei laufende Pferd ja auch optisch führen. Du kannst es mit Hand­zeichen ein bisschen weiter rausdirigieren oder zu dir einladen. Dafür musst du keine Longe und kein gar nichts haben. Das geht nur, wenn es eine gute Beziehung ist. Wenn das Pferd sich auf den Menschen bezieht und der Mensch auf das Pferd. Meine Idealvor­stellung ist, dass sich das Pferd magnetisch von mir angezogen fühlt und den Wunsch hat, permanent bei mir sein zu dürfen. Ich definiere dann, wie nah es kommen darf. Das ist der Wunsch nach Verbundenheit, den das Pferd an mich her­anträgt. So wie die Leitstute, die losgeht, weil sie beschließt, woanders muss es netter sein, die dafür aber nicht ruft: „Kommt alle mit!“, sondern sie geht einfach und die anderen laufen hinterher und sagen: „Lass uns nicht allein!“

Schwung ist FLÜCHTIG

Nettelbeck: Also ist diese innere Verbun­denheit für dich Anlehnung? Wenn wir das auf das Reiten und auch auf höhere Lekti­onen beziehen – je geübter ich im Reiten bin, desto schneller kann ich eine Verbun­denheit mit dem Pferd herstellen. So wie „Shaolin“ jetzt trabt, sind immer mal wieder kurze Momente dabei, in denen ich denke, das ist Schwung: Jetzt! Nein, jetzt ist es fest, jetzt ... Es sind Momente, in denen der Rücken kurz aufschwingt und die Hinter­hand kraftvoller vorschwingt.

Marlie: Schwung ist flüchtig ...

Nettelbeck: Genau! Bevor ich „Das ist Schwung“ zu Ende gedacht habe, ist er schon wieder weg. Was „Shaolin“ jetzt noch fehlt und was ja noch vor Anlehnung und Schwung kommt, ist die konstante Losgelassenheit.

Marlie: Als Losgelassenheit hatten wir Lockerheit im Kopf plus Lockerheit im Körper definiert. Zum Thema Schwung sehe ich als Erstes ein Pferd vor mir, das Mitteltrab geht oder die Vorstufe dazu. Schwung ist mit einer längeren Schwebephase und durch den Rücken fließenden Bewegungen verbunden. Eine ähnliche Definition ist die fließende Ver­längerung der Schwebephase, eine Verlänge­rung der Tritte, also mehr Raumgriff. Aber das ist mir eigentlich alles viel zu technisch.

Nettelbeck: Technisch ist Schwung die vermehrte, kraftvolle Aktivität der Hinter­hand. Die führt zu vermehrter Bewegung des Beckens. Dadurch kann der Rücken überhaupt erst aufwärtsschwingen und die Schulter kann sich in ihrer Haltung ver­ändern.

Marlie: Was verändert sich in der Schulter?

Nettelbeck: Durch das kraftvollere Vortre­ten der Hinterhand kommt der Schulterbe­reich vermeintlich in die Höhe, die Schulter wird frei. Und das führt mich, in Verbindung mit gerade richtenden Lektionen – Schul­terherein, Kruppeherein, bis zur Versamm­lung.

Marlie: Aber die Westernreiter reiten auch Lektionen wie Schulterherein, und ich behaupte immer, die Westernpferde sind für mich im klassischen Sinne nicht ver­sammelt.

Nettelbeck: Warum? Für mich sind sie nicht aufgerichtet, aber wieso sind sie nicht versammelt?

Marlie: Es fehlt der Schwung (lacht) und damit die Kadenz, also der Aufwärts­schwung. Der ist für das Westernreiten auch nicht nötig.

Er treibt „Shaolin“ wieder an. Der Wallach trabt, fällt in einen Schaukelgalopp. Marlie hält inne, lässt das Pferd langsam ausrollen und ruft es zu sich. „Shaolin“ wendet sich ihm zu, wechselt in den Schritt und nähert sich vertrauensvoll.

Marlie: Jetzt habe ich es! Schwung bedeutet für mich die fließende Verlänge­rung einer natürlichen Schwebephase, wenn sie aus der Begeisterung für eine seelische Verbundenheit zwischen Mensch und Pferd zum Ausdruck gebracht wird. Wenn er sich so vertrauensvoll auf mich zubewegt, rührt mich das, es berührt mich. Und wenn ich dieses Vertrauen und das Berührtsein in Bewegung umsetzen kann, entwickelt sich Freude am oder im Tun. So eine Freude, die nur aus dem Ein­ verständnis zwischen Mensch und Tier entsteht. Man könnte auch sagen, Schwung ist Lebensfreude. Oder, noch besser, Schwung ist Liebe.

Schwungvoll SCHREITEN

Nettelbeck: Schwung ist Liebe ... Aber oft heißt es, Schritt sei eine schwunglose Gangart und Pferde könnten nur im Trab oder im Galopp Schwung entwickeln. Wenn Schwung Liebe und Lebens­freude ist, dann müsste es ihn doch auch im Schritt geben. Oder Schritt ist eine lieb- und freudlose Angelegenheit ...

Marlie: Im Schritt kann ein Pferd nach meinem Verständnis kraftvoll gehen, Schub und automatisch Raumgriff entwickeln. Aber es gibt nun mal keine Schwebephase. Also kann es eigent­lich kein Schwung sein. Oder?

Nettelbeck: Das ist eine Frage der Definition. Wenn man Schwung als etwas Kraftvolles, als Umwandlung von Vorwärts- in Aufwärts­energie versteht, geht Schwung auch im Schritt. Da nennt man es eher Schreiten.

Wieder wendet Marlie sich „Shaolin“ zu und treibt den „Weltmeyer“- Enkel in einen gleichmäßigen, raumgreifenden Schritt.

Marlie: Jetzt habe ich noch eine andere Definition. Mit den Worten dynamisch und fließend: Die dynamisch fließende Vergrößerung des Raumgriffs, das ist für mich Schwung. Dynamik ist wichtig! Kein langes Latschen, sondern fließende Dynamik. Und das geht auch im Schritt. Alle Stufen der Skala der Ausbildung beschreiben einen Idealzustand, dem man sich dann immer wieder nähert. Den man verlassen muss und dem man sich wieder nähert ...

Nettelbeck: ... Ein ständiger Prozess. Und je mehr Erfahrung ich habe, desto leichter und schneller kann ich mich dem Idealzustand immer wieder nähern.

„Shaolin“ trabt jetzt und deutet ab und zu ein Abstrecken vorwärts-abwärts an.

Nettelbeck: Mit seinem längeren Rücken wird er leicht strampe­lig im Trab. Dann rennen die Hinterbeine nach hinten raus und er strampelt nach vorn. Er läuft sich noch ein bisschen davon, aber er entwickelt langsam eine andere Dynamik.

Marlie: Es gibt dafür den Begriff der relativen Aufrichtung. Der bezieht sich eigentlich auf Versammlung. Aber so, wie er sich jetzt hier vorwärts-abwärts dehnt, wird er hinten etwas kleiner und wirkt dadurch in der Schulter etwas höher.

Nettelbeck: Der Rücken kann erst schwingen, wenn das Pferd mit der Hinterhand kraftvoll tritt und den Hals fallen lässt. Dadurch spannt sich das Nackenrückenband, das die Dornfort­sätze aufrichtet und somit die Wirbelsäule stabilisiert und überhaupt tragfähig macht. Die Bauchmuskulatur als Gegenspieler zur Rückenmuskulatur stabilisiert zusätzlich und ermöglicht dem lan­gen Rückenmuskel, seiner Funktion als Bewegungsmuskel nach­ zugehen. Die Rückenmuskulatur setzt sich aus mehreren Schichten zusammen und die kleinsten gehen nur noch von Querfortsatz zu Dornfortsatz. Sie sind vor allem für die Feinmotorik zuständig. Es sind also viele Schichten, die sich lockern müssen, damit sich eine Wirbelsäule „traut“ zu schwingen.

Zwischen TREIBEN UND ÜBERTREIBEN

„Shaolin“ galoppiert jetzt auf dem Zirkel. Auf einen Treibeimpuls hin reagiert er heftiger, wirft den Kopf hoch, drückt den Rücken weg, spannt sich und legt an Tempo zu. Schlauchgeräusche sind zu hören.

Marlie: Vielleicht habe ich jetzt ein bisschen zu viel getrieben, also übertrieben. Man konnte ja sehen und hören, dass er sich eben etwas verkrampft hat. Dann wird es lauter, die Tritte werden trom­melnder, die Bewegungen eckiger, sie fließen dann nicht mehr. Die Atmung fließt auch nicht mehr so.

Nettelbeck: Und er macht Schlauchgeräusche. Das ist ein Zeichen für eine Verspannung in der Bauchhöhle.

Marlie: Als er eben sehr nett und sehr rund galoppierte, fiel mir noch eine Definition ein: Schwung ist eine runde, fließende Galoppade mit Vergrößerung des Raumgriffs. Es gibt den schönen Begriff des bodenverachtenden Pferdes. Hast du das schon mal gehört?

Nettelbeck: Ist das positiv oder negativ?

Marlie: Es klingt nach Verachtung und damit negativ, ist aber so gemeint, als brauchten diese Pferde den Boden gar nicht, weil sie mehr schweben. Dafür komme ich hier bei „Shaolin“ noch nicht genügend zum Treiben. Er entfaltet seine Kraft noch nicht aus der Ruhe, sondern kommt zu schnell ins Rennen und in die Hektik. Oft zeigen Pferde nur aus der Aufregung heraus Bewegungen, die sehr schwungvoll aussehen, aber eigentlich ungesunde Spannungstrit­te sind. Der Unterschied ist mit einer Momentaufnahme oft gar nicht zu klären. Stattdessen muss ich zum Beispiel beobachten, wie weich und wie leicht die Übergänge zwischen den Gangarten sind.

Nettelbeck: Ich muss die Veränderbarkeit allgemein überprüfen. Damit sind wir wieder beim Hilfenverständnis. Wenn das Pferd auf mein Treiben weich und leicht vorwärts „denkt“, kann es mit ent­spannten Bewegungen reagieren, statt zum Beispiel den Rücken wegzudrücken und den Kopf hochzureißen.

Was hat Anlehnung mit Schwung zu tun?

Marlie ruft „Shaolin“ zu sich an den Rand und legt ihm einen Hals­ring um. Dann longiert er das Pferd im Trab um sich herum.

Nettelbeck: Jetzt wäre es noch mal wichtig zu definieren: Was ist Anlehnung? Anlehnung ist Verbundenheit und das übliche Bild dazu ist eine Zügelverbindung. Am Halsring geht „Shaolin“ gerade sehr schwungvoll. Aber ist das Anlehnung im klassischen Sinn?

Marlie: Natürlich kann auch am Halsring eine Art körperlicher Anlehnung stattfinden. Das Pferd lehnt sich an den Halsring an und dehnt sich. Es lässt sich vom Halsring führen, und Anlehnung ist nichts anderes als das Annehmen von Führung. Und das geht, wie wir schon gesagt haben, über optische oder akustische Signa­le oder, und so stellt man es sich üblicherweise vor, über körper­liche Berührung, der sich das Pferd anvertraut.

„Shaolin“ lehnt sich an den Halsring an. Seine Bewegungen wer­den ruhiger und weicher. Wo er eben noch mit trommelndem Schritt ging, federt er jetzt deutlich leiser durch den Sand.

Nettelbeck: Man sieht jetzt, dass du mehr zum Treiben kommst. Wie du es vorhin gesagt hast, er reagiert jetzt mehr aus der Ruhe. Ich sehe, dass seine Bewegungen viel kraftvoller sind als zu Beginn. Ich würde sagen, die Energie bleibt im System, und ich sehe, dass er Anlehnung am Halsring und an deinen Hilfen sucht. Es geht also auch ohne Zügel.

Marlie: Man kann über den Halsring so schön demonstrieren, dass nicht der Zügel das Pferd formt, sondern dass sich Kopf- und Hals­haltung aus der Mobilisierung der Hinterhand ergeben. Sowohl in der Dehnung als auch in der Aufrichtung. Im Unterricht sage ich immer: Wir kommen über die Inhalte zur Form und nicht umge­kehrt.

„Shaolin“ streckt sich quasi durch den Halsring hindurch. Die Nase in Richtung Sand trabt er, jetzt ohne Schlauchgeräusche, im Kreis. Dann schnaubt er kräftig ab.

Nettelbeck: Guck mal, so wie er jetzt geht, sind schon richtig schwungvolle Momente dabei. Schwung ist für mich der Anfang der Umwandlung von Schubkraft in Tragkraft.

Marlie: Mal langsam, vorwärts-abwärts ist schwungvoll, hat aber nichts mit Versammlung zu tun. Das ist für mich vor allem Schub­kraft, aber keine Tragkraft. Deshalb wollen wir ja gern, dass das Pferd sich vorwärts-abwärts dehnt, weil wir die Tragfähigkeit des Halses benutzen, um den Reiter tragen zu können.

Nettelbeck: Für mich ist die Entwicklung einer ersten Tragkraft noch keine Versamm­lung. Für mich ist Entwicklung von Trag­kraft zunächst nur eine veränderte Aktivität der Hinterhand. Die Energie geht jetzt nicht mehr nur nach vorn, sondern fängt an, sich auch nach oben zu entwickeln. Aber erst in Kombination mit Geraderichten komme ich in Richtung Versammlung. Darum meine ich, Schwung ist der Anfang der Umwand­lung von Schubkraft in Tragkraft. Da fällt mir auf, wir reden mal von schwungvoll und mal von Schwung. Gibt es für dich einen Unterschied?

Marlie: Nein. Siehst du eine Trennung? Ich nicht.

Nettelbeck: Doch, schon. Schwungvoll ist für mich der Moment, und eine Aneinan­derreihung dieser Momente ist Schwung.

Gibt es Schwung ohne LEBENSFREUDE?

Marlie: Und für mich ist es in jedem Fall Lebensfreude. Egal ob mit Schwung oder schwungvoll. Wenn ein Pferd durch die Bahn buckelt, empfinden viele Leute das als Lebensfreude des Pferdes. Das glaube ich nur in den seltensten Fällen. Aber Schwung ohne Lebensfreude ist nicht denkbar. Dann sind es Spannungstritte. Dann sind sie aus der Not geboren, aber nicht aus der Begeis­terung für die Bewegung. Dieses Vorneraus-Strampeln sieht nur deshalb nach Schwung aus, weil es eine Verlängerung der Schwebephase ist.

Nettelbeck: Wenn ein Pferd allein auf der Weide ist und deshalb am Zaun auf und absteppt, dann kann das zwar mächtig aus­ sehen, aber das ist kein Schwung im posi­tiven, reiterlichen Sinne.

Marlie: Das ist Angst oder Imponiergehabe und hat was mit Druck zu tun. Aber nicht mit Lebensfreude. Zum Beispiel Rock ’n’ Roll ist eine Protestmusik, mit der man sich auslebt und scheinbar ganz gut fühlt. Mal seine Wut rauszuschreien gibt ja Erleichte­rung. Aber die Basis ist aus meiner Sicht Stress und nicht Lust. So ist das Imponier­gehabe eines Pferdes etwas höchst Stres­siges, was ihm keinen Spaß macht. Was vielleicht wie Schwung aussieht, ist dann aber nicht Walzertakt, sondern es ist Ver­spannung. Ein Pferd in der Natur frei schwingend ist wie ein Tanzpartner beim offenen Tanzen, also ohne den Partner dabei anzufassen. Aber mit einem Bezug zum Gegenüber. Beim Pferd auf der Weide kann das zum Beispiel die Herde sein. Wenn keine Bezugsperson da ist, ist es in Not. Dann steppt es daher.

Nettelbeck: Dann hast du den verspannten Rücken, die herausstehende Hinterhand, den hochgeworfenen Kopf ... Egal ob auf dem Turnier oder auf der Weide: Wer Stress hat, steppt, und wer sich wohlfühlt, schwebt.

WOLFGANG MARLIE
... (75) gibt seit mehr als 50 Jahren Reitunterricht. Er lernte unter anderem bei Paul Stecken, General a. D. Horst Niemack, Harry Boldt senior und bei Egon von Neindorff. Seit den 1960er-Jahren leitet er mit Ehefrau Kari die Reiterpension Marlie in Scharbeutz/Ostsee. Im Frühjahr 2014 erschien bei Pferdia TV der Lehrfilm „Pferde, wie von Zauberhand bewegt“ über seine Art der Bodenarbeit und des Reitens..

Eine der Mitwirkenden dieses Films ist LAURA NETTELBECK (28). Sie ritt schon als Achtjährige in der Reiterpension Marlie, studierte an der Andrea-Kutsch-Akademie, absolvierte diverse Praktika und besucht Seminare zu Physiotherapie für Pferde und Menschen. Neben ihrem Pädagogikstudium arbeitet sie als Reitlehrerin und Pferdetrainerin in Kiel und in der Reiter­pension Marlie.

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