Lübecker Nachrichten 04.05.2014

Der mit den Pferden tanzt

Menschen und Pferde zusammenzubringen ist Wolfgang Marlies Passion. Seit 60 Jahren. Reiter aus ganz Europa kommen mit ihren Tieren zu ihm nach Scharbeutz.

Von Petra Haase
Wolfgang Marlie geht leicht in die Knie, lehnt sich nach hinten. Magic wirft den Kopf zurück. Der Mann tänzelt, der Wallach reagiert, beide laufen, bleiben synchron stehen. Es sieht aus wie eine geheime Choreografie, wie ein spielerisches Kräftemessen, wie ein Tanz. Harmonie zwischen Mensch und Tier. Nach gut fünf Minuten kommen der kleine, drahtige Mann und der Wallach ans Tor. Nun haben Sie gesehen, was mich fit hält, sagt Wolfgang Marlie und strahlt. In wenigen Tagen wird er 75 Jahre alt, kaum zu glauben.

"Reiten wie von Zauberhand bewegt" nennt er seine Methode, mit Pferden zu kommunizieren. Esistein griffiges Etikettwie auch das des Pferdeflüsterers und beschreibt nichts anderes als eine respektvolle Beziehung zwischen Mensch und Tier. Man kann auch sagen Horsemanship oder einfach Pferdefachmann, erklärt Marlie. Denn was aussieht wie von Zauberhand bewegt" ist das Resultat aus 60 Jahren Arbeit mit Pferden, und hinter der Flüstereistecken Codes und Signale, mit denen Marlie mit den Pferden kommuniziert.

Kommunikation ist überhaupt das große Thema von Wolfgang Marlie, nicht das Reiten allein. "Es reizt mich, anderen Menschen Zugang zu schaffen zu Pferden, eine Verbindung herzustellen zwischen Mensch und Pferd. Dass jeder Mensch angstfrei mit ihnen umqehen kann."

Diesen Spaß an Pferden hatte Wolfgang Marlie schon als kleiner Junge. Damals noch auf Nachbars Pferden im kleinen Scharbeutzer Ortsteil Klingberg. Die Mutter, eine Kriegswitwe, brachte die Kinder mit Ferienvermietung durch, und Wolfgang ist ihr heute noch dankbar, dass sie das leerstehende Haus in der Uhlenflucht 1 kaufte und eine Gästepension mit Reitbetrieb eröffnete. Das war vor 60 Jahren.

Es ist ein traumhaftes Grundstück im hügeligen Wald, Den Moorboden, auf dem heute der Reitplatz ist, hat Wolfgang Marlie selbst urbar gemacht. Nach dem Schulabschluss stieg er in den Betrieb ein, führte Touristenpferde, ritt, gab Reitunterricht. Nach der damals altbewährten Methode Blut, Schweiß und Tränen, erinnert er sich. "Aber ich merkte irgendwann, das ist nicht meine Welt. Mein Ansatz war, ohne Drill miteinander umzugehen." Er experimentierte, entwickelte eigene Methoden, ging ab vom Befehlston. Das jedoch wurde in der Branche nicht unbedingt mit Wohlwollen beäugt – die Ara der Pferdeflüsterer kam erst später.

Inzwischen hat sich das Verständnis gewandelt, das Interesse ist groß. Wolfgang Marlie und seine drei Reitlehrer haben genug zu tun, um die Schüler, Urlauber und Einheimische, zu betreuen. Wobei es vordergründig gar nicht Ums Reiten, sondern um Beziehungsarbeit geht, wie Marlie es nennt. Seine bekannteste Schülerin war die contergangeschädigte Dressurreiterin Bettina Eistel, die ohne Arme reitet, mehrmals Deutsche Meisterin wurde und Medaillen bei den Paralympics gewann, "Sie kam damals zu mir mit sehr vielen Ängsten. Es war eine große Freude, mit ihr zu arbeiten."

Reiter aus ganz Europa kommen zu Wolfgang Marlie mit ihren vermeintlichen Problempferden oder weil sie einfach lernen wollen, angstfrei mit den sensiblen Tieren umzugehen. Wie Henrike Broer, die an jedem freien Tag extra aus Rostock anreist. "Ich wollte immer schon reiten, hatte aber Angst, weil ich früher schlechte Erfahrungen mit Pferden gemacht hatte, Dann hatte ich angefragt, ob man auch mit 43 Jahren noch anfangen kann." Das war vor neun Jahren. Inzwischen ist sie begeistert vom Umgang mit den Pferden und der familiären Atmosphäre. "Sie müssten mal Weihnachten hier erleben"

Familie, positive Stimmung, eine gute Zeit für Menschen und Pferde, Kommunikation, Teamarbeit, Integrationdas sind die Themen, über die Wolfgang Marlie viel und gerne redet. Sein Leben mit Pferden lässt sich nicht in Beruf und Freizeit, einteilen. Man spürt, hier lebt jemand seinen Traum und ist immer noch neugierig auf jedes neue Pferd und jeden neuen Gast. "Von jeder Begegnung profitiere ich, und ich will noch viel lernen."

 

 

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